Zeit, die vierte Dimension -

 

Zeit wird als Dimension gewertet. Alleine dass wir in der Lage sind, sie zu messen wird als großer kultureller Fortschritt gewertet, hat es doch Jahrhunderte gedauert bis der Mensch sich über „nun werde ich schlafen, denn es ist dunkel und wenn es hell wird stehe ich wieder auf“ mittels Zeitmessinstrumenten hinweg gehoben hat. (Ob man das als Vorteil werten kann, dessen bin ich mir gerade zur Winterzeit nicht immer ganz sicher.)

 

Aber obwohl man Sie messen  und den Tag in kleinste, fasst nicht mehr nennenswerte Bruchstücke  zerstückeln kann, gelingt es mir nicht, sie einfach nur als eine Maßeinheit zu betrachten. Noch schwerer erscheint mir mitunter, trotz Training und Zeitmanagement, sie zu beherrschen. Denn ich gestehe, zu sehr bilde ich mir ein, Zeit zu fühlen.

 

Ab und zu habe ich das Gefühl, sie vergeht gar nicht. Der Zeiger auf der Uhr scheint wie fest geleimt zu stehen. Dieser gefühlte Zeitstillstand bringt mich dazu, unsichtbare Wände verschieben zu wollen, an Rädern zu drehen, oder mich einfach wie auch immer zu bewegen, als könnte dies allein „Schwung“ in den Zeitablauf zu bringen. Aber gerade in Momenten in denen mich dieses Bedürfnis beschleicht, ist mir dies meistens verwehrt. Ich sitze und harre und warte, dann meist zur Untätigkeit verbannt.

 

An anderen Tagen wieder scheint es, als würde ich mich, was mein Zeitempfinden betrifft, in Götterspeise bewegen. Man erspürt zwar die Bewegung, und doch habe ich das Gefühl nicht vorwärts zu kommen. Alles scheint gefangen in einem nicht greifbaren Widerstand, der zwar den Lauf der Dinge nicht aufhält, aber doch den Uhrzeiger in SLOW-MOTION über das Zifferblatt schiebt. Jede Tätigkeit scheint doppelt so anstrengend wie an normalen Tagen, und wenn diese Tage dann nach unendlich langer Zeit vergangen sind, es endlich Abend ist, bin ich meist erschöpft, müde und zum Teil auch frustriert. Endlich zu schlafen und den Tag vergangen sein lassen fühlt sich dann an wie Erlösung.

 

 

An anderen Tagen aber scheint die Zeit zu rennen. An solchen Tagen, an denen ich das Gefühl habe, ich müsste fünf Sachen gleichzeitig erledigen um der Kürze des Tages gerecht zu werden. Obwohl ich über gutes Zeitmanagement verfüge, Prioritäten setze und mich selten hetzen lasse, gibt es auch bei mir noch immer diese ganz speziellen Zeiträume, Spannen, an denen sich Ereignisse überschlagen und ich die ganze Tag meiner Zeit hinterher laufen muss. (Aus Erfahrung weiß ich, dass all dies, das sich so normalerweise langsam im Laufe des Tages aufbauen würde, durch verschlafen und dem Zwang sich dem neuem Tag unter Zeitdruck hektisch und konfus zu stellen, ebenso effizient erreichen, oder ihn gegebenenfalls auch noch ohne äußere Einflüsse hervorrufen und pushen kann) Für mich immer ein typischer Fall von „diesen Tag hättest Du Dir auch sparen können!“

 

Oder in jene Nächten die endlos erscheinen, in denen ich mich einfach nicht von meinen  Gedanken lösen kann oder mich Träumereien und gedanklichen Planspielen hingebe, weil ich halt grad mal nicht bereit bin, dir erlernten und bewährten Techniken die das Einschlafen erleichtern, anzuwenden.  Diese Nächte, in denen ich mich ruhelos auf dem Bett hin und her wälze, und jede Minute zähle – bis zu dem Zeitpunkt an dem ich dann wirklich ins Reich der Träume hinübergleite, nur um dann feststellt, dass zwei Stunden Schlaf nicht ausreichen, um tagsüber die gewohnte Leistungsbereitschaft- und Fähigkeit mitzubringen. (Meist passiert mir dies in Nächte, bevor etwas Neues, besonders Unange-nehmes oder besonders erhofftes Ereignis zu erwarten ist. Ab und zu ist dies aber auch nur meinem Status als Königin des Lampenfiebers zu danken – und dagegen hilft mir, erfahrungsgemäß – nun mal gar nichts. (Sie können sich nicht mal vorstellen, welche „unfehlbaren“ Techniken ich erfolglos erprobte. Ich verzweifelte, bis mir jemand den Tipp gab, meine Einstellung zu ändern.

 

 

„Lampenfieber gehört dazu! Wenn es einmal weg ist, wird ihnen die Arbeit nicht mehr wichtig sein, und sie werden dann auch nicht mehr so gut sein“,

 

 

wurde mir einmal von jemand, dessen Meinung ich sehr respektiere, gesagt.

 

 

Seitdem nehme ich es so gelassen hin, wie man Lampenfieber halt hinnehmen kann. Es wird dadurch auch nicht leichter, aber zumindest mache ich mir nun keine Vorwürfe mehr, wenn ich wieder einmal zu Beginn eines neuen Projekts nicht ausgeschlafen bin – (und es mir noch dazu deutlich anzusehen ist.)

 

 

An wenigen Augenblicken im Leben schien es mir sogar, als stehe meine Zeit still. Als könne man ein Erlebnis, dass sonst Minuten oder Stunden dauert, praktisch auf wenige Sekunden ballen. Etwa bei einem Unfall, oder bei einem „gewöhnlichem „ Sturz. (Ich bin höchst talentiert! In diesen Augenblicken kann es sein, dass die Zeit so schnell vergeht dass es mir möglich ist mein Handgelenk noch in eine geeignete Position zu bringen um es mir gehörig zu prellen! An besonders guten Tagen schaffe ich es sogar mich noch mich während des Sturzes so zurechtzurücken, dass ich mir das rechten Handgelenk, den linken Ellenbogen und das rechte Knie zeitgleich prelle. Versuchen Sie das mal, das ist wirklich nur etwas für echte Könner!)

 

 

Ab und zu aber vergesse ich einfach die Zeit. Immer dann, wenn ich den Zustand des Flow´s  erreicht habe, wenn ich in ein interessantes Gespräch vertieft bin, zeichne, ein gutes Buch lese, dann fliegen die Stunden an mir vorbei und ich vergesse regelrecht dass es „Zeit“ und „Uhren“ gibt, die zu beachten in unserer Gesellschaft so wichtig wurde, das es schändlich wirkt unproduktiv und unbeschäftigt in gedankenverlorener Muse zu verharren.

 

 

Ich möchte es fasst boshaft nennen, wenn die Zeit dann, quasi als Rache für die Nichtbeachtung, in einem Atemzug an mir vorbei zu rennen scheint und hämisch grinsend zusieht wie ich in Hektik ausbreche um auch noch Aufgaben die mich nicht so erfreuen, in aller Eile nachzukommen.

 

 

Natürlich kenne auch ich einen gewohnten und normalen Ablauf der Zeit – 20 Minuten die sich wirklich anfühlen wie 20 vergangene Minuten. Ein Arbeitstag der genauso lange ist, wie er sein sollte, Projekte und Unterrichtseinheiten die Produktiv in der vorgesehenen Zeit erledigt werden, eine Nacht, deren Stunden in einem geordnetem Fluss vorüberziehen, und die ebenso lange scheint wie ich brauchte, um ausgeschlafen zu sein.

 

Doch so seltsam es klingen mag, gerade der Wechsel, die Unvorhersehbarkeit des Augenblicks, die Möglichkeit sich von Zeit diktieren zu lassen oder sie beliebig, ohne ein schlechtes Gewissen, nach eigenem Gutdünken zu nutzen und zu verbrauchen macht lässt mir den Tag interessanter erscheinen, fordert mich heraus, steigert für mich den Wert des Augenblicks.

 

 

Natürlich habe ich erlernt, meine Zeit nicht mehr zu vergeuden.

 

 

(Nicht, weil ich plötzlich aufhörte unsinnige oder unvorsichtige  Tätigkeiten zu vollbringen.) Iich kann immer noch geraume Weile mit dem Computer oder Smartphone verbringen, ohne auch nur eine Sekunde konstruktiv tätig gewesen zu sein. Aber ich lernte, diese sinnlose Zeit mit einzuplanen, gönne sie mir und zelebriere sie und weiß ihren Wert zu benennen.

 

 

Ich lasse mich nicht mehr einfach so auf das „Abschalten“ ein weil mein Körper mich nachdrücklich gemahnt, sondern plane und genieße es als persönlichen Luxus Zeiträume, „die nur für mich sind“ einzuplanen, nehme es als Bereicherung meines Tages wahr, um Inspirationen und neue Gedanken zu finden, und vor allem als Luxus, (auch wenn sich der Radius meines Schmutzkreises in solchen Momenten wie durch Zauberhand deutlich zu vergrößern scheint.)

 

 

Etwas das ich durch Zeitmanagement auch gelernt habe, ist die Zeit die ich wartend verbringe anders, für mich besser, zu nutzen.

 

Ich sitze nun nicht mehr beim Arzt und ärgere mich darüber, sondern habe ein Repertoire von kleinen, unauffälligen Tätigkeiten entwickelt, um die Zeit für mich angenehm und möglichst sinnvoll zu nutzen.

 

Ich sitze und beobachte, meditiere, träume bewusst vor mich hin, lese oder beschäftige mich in Gedanken mit dem neuestem Lehrstoff. Oder ich lehne mich zurück, genieße die Ruhe, (und bin mir des Luxuses wieder einmal eine gute Ausrede für meinen Müßiggang zu haben, aufs Angenehmste bewusst.)

 

 

Im Großem und Ganzen bin ich ganz froh, dass ich mir Kenntnisse über Zeitmanagement angeeignet habe. Es bereichert mein Leben und ich bin nicht mehr der Sklave meiner Zeit, sondern wohl eher so etwas wie ein Buttler, der sie mit sanfter aber bestimmter Hand leitet, sie in vielen Fällen dienstbar macht.

 

Andererseits habe ich durch Zeitmanagement auch gelernt, Prioritäten zu setzen und mich an Fristen zu halten. Ich habe auch gelernt mich von Unnötigem zu lösen – egal, ob Sache, Ding, Mensch oder Gewohnheit.

 

 

Am meisten erstaunte mich wohl selbst, dass es mir leicht fällt, nun pünktlich zu sein. (Natürlich, nicht immer, aber, sagen wir, immer häufiger!)

 

 

ich trennte mich von so einigem, dass meine Aufmerksamkeit verlangte – von Gegenständen die man nur aufbewahrt, weil man „bestimmt irgendwann Verwendung dafür findet“, von „Freunden“ und Verpflichtungen, die mir vom heutigen Standpunkt aus nicht fehlen, da sie zwar Räume füllten, aber keine Freude hinterließen. Die im Endeffekt nur dazu da waren, um Zeit zu verbrauchen, und eine Gedanken-Maschinerie am Laufen zu halten die mich von wesentlicherem ablenkte.

 

 

Und wie oben schon erwähnt, ich musste mir zu manchen Dingen eine andere Einstellung zulegen. Früher wartete ich ungeduldig und schnell verärgert. „Alles verlorene Zeit“, ging mir dabei stetig durch den Kopf. Und so war es wohl auch – Zeit, die ich nur dazu nutzte mich sinnlos zu ärgern! Ich schätze Zeit nicht mit Wert, sondern als etwas das mich hetzte und trieb und denke mir „schade! Verlorene Zeit!

 

 

Heute sitze ich und beobachte, oder ich freue mich darauf in verhältnismäßiger Ruhe in einem Buch zu lesen. Oder ich sitze ruhig da, und lasse die Empfindungen des Augenblicks auf mich einwirken, katalogisiere in Gedanken mein Befinden und meine Gefühlslage. Oder ich wiederhole in Gedanken Lernstoff oder bereits altes, gefestigtes Wissen, nur um auf neue, noch zu hinterfragende Gedanken zu kommen.

 

Da ich die erzwungenen Ruhezeiten nicht mehr damit verbringen muss, ärgerlich zu sein, gelingt es mir auch leichter neue Kontakte zu knüpfen. Mich mit anderen Wartenden zu unterhalten und ab und zu stehe ich dann wieder an einem Punkt, an dem ich viel zu früh aufgerufen werde, das Warten ruhig noch etwas länger hätte dauern können. Wenn die Gelegenheit zum Kontakte knüpfen gar nicht gegeben ist, so kann es sein, dass ich mir die Zeit gönne, um sie mit etwas vollkommen Banalem zu verbringen, z. B.  in aller Ruhe einen Ort oder einen Gegenstand zu betrachten, weil ich vorher noch nie die Zeit dazu fand. Und ab und zu passiert es dann, dass ich mich frage, war das schon immer so? War das schon immer da, an dieser Stelle?

 

 

Aber nicht nur wenn ich warte hilft mir mein Zeitmanagement. Ich plane besser voraus, habe gelernt Abläufe anders zu organisieren und Tätigkeiten sinnvoller zusammenzulegen. Ich habe Angewohnheiten als sinnlos erkannt und konnte sie dadurch, dass ich mir dessen bewusst wurde, ablegen. Ich habe aber auch gelernt, häufiger „Nein“ zu sagen, oder Tätigkeiten von anderen einzufordern.

 

 

Andererseits lernte ich den Wert meiner Zeit zu schätzen. Ich habe gelernt, möglichst nichts mehr „schnell, schnell“ zu erledigen, weil ich weiß, dass einmal schludern drei Mal machen bedeutet und immer mehr Zeit und Nerven in Anspruch nimmt, als ordentliches Arbeiten das im ersten Moment auch mal länger dauert. Und, da meine Zeit zumindest für mich wertvoll ist, lernte ich das, was ich mache, so gut zu machen wie es in diesem Moment gerade möglich ist. Denn, im Endeffekt vergeht Zeit ohnehin wie sie will. (Was bleibt ist lediglich die Erinnerung, und die sollte doch immer so gut wie möglich sein, oder?)