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Warum tu ich mir das nur an?

 

Kennen Sie das auch? Diese Frage, „Warum tu ich mir das an?

 

 Ab und zu sind es nur Kleinigkeiten, die mich dazu bringt, sie mir zu stellen.

  • Zum Beispiel wenn ich einen Film, den ich möglicherweise schon X-Mal gesehen habe, anschaue und obwohl ich eigentlich zur Toilette müsste, mit zusammengekniffenen Beinen meine Lieblingsszene abwarte.
  • Oder wenn das Haustier auf meinem Schoß sitzt, mir schon beide Beine eingeschlafen sind, und ich trotzdem verharre, bis das liebe Tierchen endlich bereit ist, aufzustehen.
  • Manchmal kann es auch passieren, wenn ich abends noch ein gutes Buch lese, und statt es beizeiten weg zu legen, kein Ende finde bis der Morgen graut. Mein Wecker klingelt trotzdem, egal wie müde ich bin
  • Die Aufgabe, die ich mir Vornahm und die nach und nach ihren Sinn verliert, die ich nur noch deshalb regelmäßig mache, weil ich es nicht gerne mag, Sachen halbfertig aus der Hand zu legen.
  • Das Spiel, das mich eigentlich schon langweilt und dass ich nun zum dritten Mal durchspiele, nur um endlich ein Ende zu erreichen, dieses Ende, das für mich das Schönsten von allen möglichen Enden ist.

Alles ganz harmlos, weil es ja nicht täglich, nicht regelmäßig passiert. Und doch immer noch die Frage: „Warum tu ich mir das an?

 

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Zum Beispiel wenn ich mich wieder einmal, wider besseren Wissens zu einer Veranstaltung überreden lasse, an deren "Fun-Faktor" ich von Vornherein aus Erfahrung zweifle. Meist wenn Freunde mich bitten, mitzukommen mit denen ich gerne meine Zeit verbringe.

  

Oder dieser Minirock in Puppengröße? Jedes Mal wenn ich ihn wehmütig betrachte wundere ich mich, wie ich jemals da rein gepasst haben kann – und immer weiß ich auch, dass ich es nie mehr tun werde – ich denke, am Wochenende fliegt er raus – wahrscheinlich!

 

In manchen Situationen ist es sogar noch schwieriger, etwa, wenn  ich mich wider besseren Wissens mit Menschen treffe, mit denen ich einmal viel Zeit verbrachte, und Spaß hatte, aber aus scheinbar unerfindlichen Gründen schon lange keinen Kontakt mehr halte.

(Sicher, es gibt auch diese besonderen Menschen, die man Jahre lang nicht traf, und mit denen sofort wieder auf einer Welle ist, und da zu reden anfängt, wo man vor langer Zeit das Gespräch beendete, aber genau die meine ich nicht!) 

 

Sondern jene, bei denen ich schon nach wenigen Sätzen weiß, warum der Kontakt sich verflüchtigte. Jene, bei denen mir im Grunde schon lange klar ist, dass ich mich verändert, habe andere Interessen, andere Meinungen habe als damals, in der "guten alten Zeit" Diese Menschen aber sind noch immer so, wie sie immer waren. Und noch immer erzählen sie dieselben Geschichten, die einmal nett waren, doch es nun schon lange nichts mehr sind, die nichts mit der, die ich jetzt bin, zu tun haben. Es scheint, als hätte das Leben für diese Menschen, ohne ersichtlichen Grund aufgehört weiter zu gehen und sie in einer Endlosschleife gefangen.

Oft bleibt nach so einem Treffen nur noch ein wehmütiges Gefühl, praktisch ein schaler Geschmack im Mund. Und ich denke mir auch danach im Stillen,„das hätte ich besser wissen müssen!"

  

Und da sind auch noch die besonders schwierigen Fälle, etwa diese Freundin, die immer nur anrief, wenn Sie mich brauchte selber aber nie Zeit und Lust hatte zu erfahren, wie es mir ging – gut, ich muss gestehen, diesen Kontakt brach ich schon vor längerer Zeit ab, aber trotzdem!

 

Oder der alte Freund, der mich so lange kannte, dass er glaubt schon aus diesem Grund respektlos sein zu dürfen. Was früher lustige Sticheleien waren, wurden im Laufe der Zeit immer plumper und dreister. Irgendwann waren die vielen Jahre die man sich schon kannte, die lustigen Stunden der Kindheit, kein Grund mehr, diese Worte, die wie schale Götterspeise das Rückgrat hinunter liefen, zu ertragen – aber wie lange brauchte ich, einen Punkt zu setzen, und das ganze definitiv zu beenden?

 

Oder dieser Dienstleister, dessen Leistungen nicht mehr werden, dessen Beiträge aber von Mal zu Mal steigen. Trotzdem dauerte es mitunter lange, bis ich mich entschließen kann, zu wechseln. Einfach weil ich mich nicht aus meiner scheinbaren Komfortzone bewegen will oder kann, weil mir diese Vertragskündigungen unangenehm und zu stressig scheinen obwohl die Vorteile auf der Hand liegen.Na ja, auch das wird leichter, von Mal zu Mal, verliert mehr von seinen Schrecken. Aber warum zahle ich so lange mehr als sein muss?

  

Und da ist auch noch dieser Auftraggeber, der Stück für Stück immer mehr verlangt, ohne selbst mehr zu geben, oder noch schlimmer, sogar weniger gibt. Aber immer wieder nehme ich einen Auftrag an, nicht aus Angst, sondern weil meine Arbeit auch meine Berufung ist, und viele meiner Kollegen einfach tolle Leute sind. Aber auch hier, immer die selbe Frage, "warum tu ich mir das nur an?", wenn es anders doch so viel besser sein könnt?

 

Manchmal ärgere ich mich über Sachen, an denen ich selbst schuld bin. Oder über die Handlungen anderer Menschen, die ich gar nicht persönlich nehmen dürfte, da sie nicht wegen mir geschehen, sondern einfach nur gewöhnlichem, allgemeinen Verfahren, oder dem ureigenen Charakter einer Person entspringen. Warum ärgere ich mich, wenn ich es doch so viel besser wissen müsste?

 

Warum, so frage ich mich selbst darum immer wieder, ignoriere ich manche Übel viel zu lange, statt notwendige Konsequenzen zu ziehen und lasse zu, dass solche Dinge meinen Blick für neue Möglichkeiten trüben?

  

Die Antworten sind einfach -und doch auch wieder nicht.

 

In manchen dieser Fälle handle ich aus Liebe, in anderen aus Sentimentalität. Hin und wieder bin ich schlicht nur undiszipliniert, ein anderes Mal inkonsequent – und was den Minirock betrifft, vielleicht sogar ein wenig masochistisch?

 

Und trotz all dieser vielen Fragen, und all meiner vielen Fehler - und obwohl ich ständig versuche mich zu verbessern, bin ich nicht annähernd so perfekt wie ich es gerne wäre, nicht so clever wie ich sein sollte, nicht so konsequent wie ich es von mir erwarte, nicht so diszipliniert wie es gut für mich wäre, nicht so Mutig wie ich es mir erträume. 

 

Aber andererseits -  bin ich nichts Besonderes, aber einzigartig. Nicht Wonder-Woman, aber hin und wieder ein bisschen fantastisch, etwas irre, aber eben  ab und zu wieder auch brillant, mal chaotisch und mal strukturiert, mal feinfühlig und ab und zu rasend.

 

Objektiv gesehen gibt es dafür letztendlich nur einen wirklichen Grund, einen Nenner, auf den alles zusammen läuft:

 

Ich bin, wie ich bin, und wie alle anderen auch, einfach nur Mensch!

Und? Wie steht´s mit Ihnen?