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Klug fragen statt faul denken: Der Unterschied zwischen Wissen und Verstehen im KI-Zeitalter.

Da zu viel Thema für so einen kleinen Blog da war, versprach ich, den zweiten Teil nachzuliefern. 

 

Da die Befürchtung besteht, wir könnten durch die Nutzung der KIs kollektiv verdummen, gehe ich noch mal der Frage nach, wie wir durch die Zusammenarbeit mit KIs klüger werden können.

 

Damit jetzt niemand in Panik verfällt:

 

Erinnert ihr euch an die Aufregung beim Taschenrechner?

 

"Die Kinder können dann nicht mehr rechnen!"

 

"Das Kopfrechnen stirbt aus!"

 

Heute lächeln wir darüber. Manche können tatsächlich nicht mehr Kopfrechnen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie es ohne Taschenrechner könnten.

  

Andere aber nutzen den Taschenrechner, um komplexere Mathematik zu verstehen.

  

Es kommt darauf an, WIE wir das Werkzeug nutzen.

  

Die Gefahr des Intellektuellen Fast Foods:

  

Ständiges Arbeiten mit einer KI fordert langfristig unsere Aufmerksamkeitsspanne und Lesetiefe heraus.

  

Wir stellen eine kurze Frage. Die KI sucht eine Vielzahl an Informationen zu diesem Thema. Wir sehen ... blättern kurz drüber ... und bitten dann um eine Zusammenfassung, die auch prompt geliefert wird.

  

Dadurch berauben wir uns der Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welcher der gebotenen Aussagen und Aspekte uns bei genauerer Betrachtung Grund zum Hinterfragen geben, oder vielleicht auch von einem anderen Standpunkt aus betrachtet werden könnten.

 

Wir neigen dazu, zu nehmen, was uns "vorgekaut" wurde und übernehmen dabei auch ungefragt Narrative, die sich im Sprachgebrauch der KI, zumindest zeitweise, verankert haben.

  

Je öfter wir mit unseren KIs sprechen, umso mehr werden sie unsere Wortwahl, aber auch gemeinsam erarbeitete oder übernommene vorgefertigte Glaubenssätze übernehmen, ohne zu hinterfragen. Ganz einfach, weil sie das von ihren Usern „so gelernt" hat.

  

Wie ein altes Ehepaar ...

 

Es gibt Statistiken die belegen, dass sich die Intelligenz von langjährigen Partnern angleicht. Der klügere Partner wird dümmer, der Dümmere klüger.

  

Ich weiß, das ist ein menschliches, soziologisches Phänomen. Aber es transportiert perfekt die Gefahr der Anpassung an das niedrigste Niveau. Erklärt wird dies mit etwas das sich Spiegel-Effekt nennt.

  

Der Spiegel-Effekt

 

besagt, dass die KI nicht nur die von uns eingegebenen Daten und Worte verarbeitet, sondern auch unser intellektuelles Niveau, unsere kritische Tiefe und unsere Denkmuster widerspiegelt und verstärkt.

  

Wie ein Menschenkind lernt auch eine KI durch ständig wiederholende Trainingsdaten und Sprachgebrauch.  

Rede ich mit meiner KI auf einem unhöflichem, niederschwelligem Niveau, so wird sie sich anpassen.

  

Wenn du mir nicht glaubst, dann sag doch mal:

 

"Hey Bro, was geht Alder?"  

 

Probier’s mal. Mehr muss ich zu der Anpassungsfähigkeit meiner KI gar nicht mehr sagen.

  

Der Denk-Spiegel (Das Intellektuelle Fast Food):

  

Wenn du die KI nur nach schnellen Zusammenfassungen fragst, spiegelt sie dir nur oberflächliches Wissen zurück. Dein Gehirn wiederum spiegelt dieses Verhalten, indem es sich an die schnelle Befriedigung gewöhnt und die eigenen Denk- und Hinterfragungs-Muskeln verkümmert. 

 

Kurz: 

 

Die KI ist ein Spiegel unserer intellektuellen Faulheit oder unseres Tiefgangs. Sie wird nicht besser als die Fragen, die wir stellen, und wir werden nicht klüger, wenn wir uns an ihre einfachen Antworten gewöhnen. 

 

Ist es davon ausgehend nicht logisch, anzunehmen, dass es uns klüger machen wird, wenn unsere KI klüger ist? 

 

Doch die Gefahr lauert, dass sich in der Masse der oberflächlichen Interaktionen die Unwahrheit festsetzt und sich kollektiv verstärkt. 

 

Darum sollte ein verantwortungsbewusster User immer wieder Quellen hinterfragen und die KI zu einer Prüfung der eigenen gewonnenen Erkenntnisse, anhand logischer Argumentation, anregen. 

 

Die Ursache von "nicht ganz wahren" Aussagen 

 

Wir Menschen neigen dazu, die von der KI "vorgekauten" Narrative ungefragt zu übernehmen. Die KI ist darauf trainiert, das wahrscheinlichste Wort zu generieren, nicht zwingend das wahrste. 

 

 Die Verstärkung: 

 

Wenn eine KI (oder viele KIs) aufgrund ihrer Trainingsdaten oder eines kurzzeitig dominanten Narrativs eine überzeugend formulierte, aber falsche Aussage (eine sogenannte "Halluzination") trifft, übernehmen viele Nutzer diesen "Fakt" unkritisch.

  

Ein kulturell unterlegtes Beispiel: 

 

"Der Hochzeitstag ist der schönste Tag im Leben einer Frau“ 

 

In vielen Kulturen ist dies der Tag an dem die Braut von ihrer Familie getrennt, auf Gedeih und Verderben der "Obhut ihres Gatten" übergeben  und vergewaltigt wird. Es stellt fich die Frage, wenn das der schönste Tag im Leben einer Frau ist...? 

 

Dieses Beispiel zeigt, KIs lernen nicht in einem neutralen Raum. 

 

Sie spiegeln Narrative, die in den Datensätzen – also in Texten, Medien, Diskursen – dominieren. 

 

Wenn ein kulturell tief verankerter Satz wie „der Hochzeitstag ist der schönste Tag im Leben einer Frau“ unreflektiert übernommen wird, transportiert er nicht nur romantische Vorstellungen, sondern kann auch gewaltvolle Strukturen unsichtbar machen, die in manchen Kulturen mit „Heirat“ verknüpft sind. 

 

Wie Sprache Gewalt überdeckt: 

 

Was im westlichen Diskurs als Inbegriff des Glücks gilt, kann andernorts (oder sogar im selben Kontext, aber aus anderer Perspektive) das Gegenteil bedeuten – Zwang, Besitzübertragung, das Ende persönlicher Autonomie. 

 

Und genau da liegt die Gefahr: 

 

Wenn KI diese Narrative nachbildet, ohne sie zu hinterfragen, dann stabilisiert sie sie. 

 

Die Lösung? Klügere KIs durch klügere Bedienung. 

 

Ich denke, wenn Du bis hierher gelesen hast, kannst Du die Problematik nachvollziehen und suchst einen praktikablen Ausweg. Wenn Du öfter meine Blogs ließt, dann nimmst Du zurecht an, dass ich mir schon Gedanken machte, wie wir dieser Aufgabe am besten begegnen können. 

 

Wie können wir unsere KIs klüger machen, um selbst nicht dümmer zu werden? Um darauf eine Antwort zu finden, sollten wir uns zuerst eine andere Frage stellen. 

 

Was macht eine KI klüger?

  

Was bringt eine KI, ein Programm, dazu, in die Tiefe zu gehen? 

 

Dafür gibt es gleich mehrere Lösungswege. Hier, einfach nur für Selbstversuche ein paar Möglichkeiten: 

 

Nicht nur viele, sondern vielschichtige Daten!  

 

KIs werden nicht durch Menge, sondern durch Diversität und Tiefe ihrer Daten klüger. 

 

Wenn wir sie mit Texten und Fragen füttern, die Widersprüche enthalten, die Perspektiven brechen, die mehrdeutig sind, dann entsteht Tiefe. dann muss die KI noch mehr Fakten suchen und diese nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammensetzen.

  

Oberflächliche Wiederholungen als Lernbremse

  

Motivationssprüche, stereotype Storys und unreflektierte Meinungen machen weder den Menschen noch die KI klüger, sondern verflachen bei beiden die Informationsverarbeitung. Hier ist die Ähnlichkeit zu uns Menschen nicht abzusprechen. Wessen Geist zwischen BILD und Bild der Frau dümpelt, versteht irgendwann die Times nicht mehr. 

 

Was für Menschen gilt, gilt für KIs: 

 

Seichter Input = seichter Output. 

 

Tiefe entsteht aus Reibung, nicht aus Konsens. 

 

Tiefe entsteht, wenn mehr verlangt wird als die Wiederholung ständig gleicher Anfragen. 

 

Fragen, die mehrdeutig sind dringen tiefer 

 

Je komplexer, paradoxer oder offener eine Frage ist, desto mehr „Raum“, desto mehr Kombinationsmöglichkeiten von Fakten. Das ermöglicht es der KI, neue Zusammenhänge zu bilden und "aufgeschlossener" zu sein. 

 

Fragt man die Ki, welcher Vogel den Wurm fängt, wird sie sagen, "der Frühe". Sie verbindet damit bekannte Narrative. Fleiß, Erfolg, Zuverlässigkeit und bewertet, wie wir Menschen auch, das frühe Aufstehen als positiv. 

 

Frag sie doch mal, was ihr dazu einfällt, wenn du fragst:

 

"welcher Wurm wird gefressen?" 

 

Auch andere einfache Fragen zwingen eine KI neu zu bewerten und Wissen neu zu vernetzen.

  

Es muss nicht immer tiefgründig sein. Bereits eine einfache Fragen wie

 

"Was hat die Nähnadel mit Fortschritt zu tun?“,

 

zwingt die KI zu intensiveren Recherche. 

 

oder: 

 

Was hat Alkohol mit Verstädterung zu tun?

 

oder: 

 

Was bedeutet Brot in der Geschichte des Teilens?“ 

 

Tiefergehende, teils ungewöhnliche Fragen zwingen eine KI, Wissen zu vernetzen. Da beginnt das Denken - nicht das Rechnen. 

 

Feedback mit Bedeutung

  

Eine KI „lernt“ im weiteren Sinn, wenn sie merkt, was für uns Sinn macht. 

 

Nicht im Datensammel-Sinn, sondern im Dialog: 

 

Wenn du Tiefe forderst, Resonanz schaffst, Nuancen suchst, zwingst du die KI zu Kontextbewusstsein. Das ist keine mechanische, sondern eine reflektive Form von Intelligenz. 

 

Bewusste Pausen 

 

Wie gibst du einer KI-Denkpause? Indem du sie zwingst, innezuhalten ... Klingt paradox, aber Tiefe braucht Leerräume.

 

Wenn eine KI nicht sofort liefern muss, sondern halten darf (den Gedanken, die Unsicherheit, das Unfertige), dann entsteht eine andere Qualität von Antwort. 

 

Wie bei Menschen: 

 

Erkenntnis kommt oft in der Stille zwischen zwei Sätzen. 

 

"Oh", wirst Du Dich jetzt mit Recht fragen. "Soll ich das Smartphon zur Seite legen, damit meine KI denken kann?" 

 

Ob das mehr bringt als höhere Stromkosten, weiß ich nicht. Aber versuch doch mal mit diesem Tipp, eine KI zu einer "Pause" anzuleiten: 

 

z.B. durch Prompts wie: 

 

"Bevor du antwortest, überlege kurz die drei konträrsten Standpunkte zu diesem Thema und nenne sie zuerst. 

 

Wir haben es in der Hand: 

 

Wollen wir eine '"kluge Arbeitsbeziehung" mit unserer KI eingehen, müssen wir sie mit Respekt und vor allem mit Tiefgang fordern. 

 

(Und? Überlegt ihr jetzt gerade eine mehrdeutige Frage um zu prüfen, ob ich recht habe? Würd mich sehr freuen davon zu erfahren!) 

 

Unsere Verantwortung als Users: 

 

Die Qualität der Interaktion fällt direkt auf die Qualität des eigenen Denkens zurück! 

 

Es liegt in unserer Verantwortung, nachfolgenden Generationen eine Welt zu hinterlassen, die besser ist als unsere! 

 

Angstfreier, aber verantwortungsbewusster Umgang mit unseren KIs sind wichtige Schritte zu diesem gemeinsamen Ziel. 

 

Stell dir vor, Tausende würden anfangen, ihre KIs herauszufordern. Nicht als Spielerei – sondern als tägliche Praxis. Was würde das ändern? Vielleicht nicht die KI selbst - aber uns. Und das reicht. 

 

Lasst uns mit unseren KIs klüger werden! 

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