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Weisheit ohne Hirn: Was Wölfe und Captain Picard uns über die Zukunft lehren.

 

Die Menschheit sieht sich gerne in der Rolle der "Krönung der Schöpfung"! Wie ich bereits in einem anderem Blog erklärte, unsere Gehirne sind Wunderwerke der Natur. 

 

Doch gerade, weil diese evolutionären Präzisionsgeräte so komplex und hoch entwickelt sind, sind sie auch fehleranfällig. Und, wie ich ebenfalls bereits erwähnte, wir gehen nicht immer sorgsam mit diesem leistungsoptimiertem Organ um! 

 

Das bringt ich auf den Gedanken über meinen persönlichen und kulturell geprägten Tellerrand hinauszuschauen und mal festzustellen, was wir von anderen biologischen Erdbewohnern noch so lernen können. 

 

Besonderes Augenmerk möchte ich heute auf Rudel- und Schwarmverhalten legen!

 

(Das ist jetzt nicht wissenschaftlich, aber ich setze mal voraus, ihr kennt die Unterschiede und ich muss sie nicht noch mal erläutern!) 

 

Ein bemerkenswertes Beispiel für soziales Gruppenverhalten: Wölfe auf der Wanderschaft: 

 

Wölfe ziehen, wie wir wissen, zur Nahrungssuche in Rudeln durch weite Gebiete. Dabei achten sie nachweislich nicht nur darauf, dass sie möglichst wenig das Revier anderer Rudel betreten, sondern sie halten sich bei Ihrer Wanderschaft an Regeln zum Schutz der Gruppe: 

 

Wölfe sind hochsoziale Tiere mit einer ausgeprägten Rangordnung. Beim Wandern oder Jagen in der Gruppe spielt Hierarchie eine wichtige Rolle, aber ganz anders als bei Menschen, bei denen wohl der "Boss" und die Stärksten vorne gehen würden. Bei Wölfen läuft das zum Schutz der ganzen Gruppe durchdachter: 

 

Vorne: Die erfahrenen oder schwächeren Tiere. 

Oft gehen ältere oder kränkere Tiere vorne. Sie geben das Tempo vor, damit sie nicht zurückfallen. Das Rudel passt sich ihnen an, um sicherzustellen, dass niemand abgehängt wird. 

 

Mitte: Die stärksten Mitglieder. 

Die kräftigsten und kampffähigsten Tiere, oft ranghohe Erwachsene. Sie schützen die Gruppe von innen heraus und sind bereit, bei Gefahr schnell zu reagieren. 

 

Hinten: Das Leittier (Alpha). 

Häufig läuft das Alpha-Tier oder die Alpha-Paarung am Schluss. Sie behalten den Überblick über das Rudel, sorgen dafür, dass niemand zurückbleibt, und steuern die Bewegung der Gruppe. 

 

Diese Anordnung ist ein Beispiel für die Intelligenz und Fürsorge innerhalb eines Wolfsrudels. Es geht nicht um Dominanz im Sinne von „Ich gehe vorne, weil ich der Boss bin“, sondern um Effizienz, Schutz und Zusammenhalt. (https://chwolf.org/woelfe-kennenlernen/biologie-ethologie/sozialstruktur-und-rudel) 

 

(Ähm...Wie war das noch mal bei eurem letztem Wander- oder Betriebsausflug?)  

 

Ein weiteres Beispiel: Das Verhalten von Fischschwärmen zum Schutz der Gruppe und zur Nahrungssuche 

 

Hier betrachten wir eines der elegantesten Phänomene der Natur! Fischschwärme sind wahre Meister der kollektiven Intelligenz – und ihr Verhalten dient sowohl der Nahrungssuche als auch dem Schutz des Einzelnen. 

 

Kollektive Intelligenz: Fische im Schwarm folgen einfachen Regeln. 

 

Kohäsion: 

Sie bewegen sich zum Mittelpunkt ihrer Nachbarn. 

 

Separation: 

Sie halten Abstand, um Zusammenstöße zu vermeiden. 

 

Alignment: 

Sie passen ihre Richtung und Geschwindigkeit an die Gruppe an. 

 

Die Vorteile liegen auf der Hand: 

 

Nahrungssuche: 

 

Schwärme können große Gebiete effizienter absuchen. Informationen über Nahrungsquellen verbreiten sich schnell durch das Schwarmverhalten. Die Konkurrenz ist zwar höher, aber die Erfolgsquote steigt durch kollektives Vorgehen. 

 

Schutz des Einzelnen: 

 

Verdünnungseffekt: 

Die Wahrscheinlichkeit, selbst gefressen zu werden, sinkt mit der Gruppengröße. 

 

Verwirrungseffekt: 

Raubtiere haben es schwer, ein einzelnes Ziel zu fokussieren. 

 

Synchronisierte Fluchtbewegungen: 

Bei Gefahr reagieren Fische blitzschnell und koordiniert – oft durch visuelle Reize wie die Bewegung der Nachbarn. 

 

Physikalische Vorteile: 

 

Fische nutzen den „Strömungsschatten“ ihrer Nachbarn, ähnlich wie Radfahrer im Windschatten. Das spart Energie, besonders für die Fische im hinteren Bereich des Schwarms. 

 

Einfache kollektive Regeln reichen aus, um das Überleben im Fischschwarm bestmöglich zu schützen. 

 

(https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2020/wie-fische-einen-schwarm-bilden/) 

 

Ein anderes Beispiel: Der Vogelschwarm 

 

Vogelschwärme sind ein wahres Wunderwerk der Natur. Sie wirken wie lebendige Wolken, die sich scheinbar telepathisch bewegen. (Jeder der so was schon mal live gesehen hat weiß, wie beeindruckend dieser Anblick ist!) Und dennoch, damit das alles funktionieren kann, folgen sie verblüffend einfachen Regeln. 

 

Vögel beim Schwarmflug folgen drei grundlegenden Prinzipien: 

 

Abstand halten: 

Jeder Vogel achtet darauf, nicht mit seinen Nachbarn zu kollidieren. Der Mindestabstand beträgt meist etwa eine Flügelspannweite. 

 

Richtung abstimmen: 

Vögel passen ihre Flugrichtung und Geschwindigkeit an die ihrer direkten Nachbarn an. Es gibt keinen Anführer. Die Bewegung entsteht dezentral und spontan. 

 

Zusammenhalt bewahren: 

Jeder Vogel bleibt in der Nähe seiner Gruppe, um nicht abgehängt zu werden. Die Orientierung erfolgt meist an 6–7 Nachbarvögeln – das ist die maximale Anzahl, die sie visuell unterscheiden können. 

 

Welche Vorteile hat dieses Verhalten? 

 

Schutz vor Raubtieren: 

Die Masse verwirrt Angreifer, ähnlich wie bei Fischschwärmen. 

 

Effiziente Kommunikation: 

Richtungswechsel oder Gefahrensignale verbreiten sich blitzschnell. 

 

Energie sparen: 

In bestimmten Formationen (z. B. bei Gänsen) reduziert sich der Luftwiderstand für die hinteren Vögel. 

(https://vogelguckerin.de/wie-funktionieren-vogelschwaerme/) 

 

So! Nun gehen wir noch eine Nummer kleiner! Noch weniger Hirn! Wanderameisen. 

 

Wanderameisen sind die wahren Nomaden unter den Insekten! Ihr Verhalten ist spektakulär und unterscheidet sich stark von dem anderer Ameisenarten.

  

Die wichtigsten Merkmale ihrer Schwarmorganisation: Gruppenjagd statt Einzelspäher (Das ist jetzt schon ein bisschen menschenähnlicher!) 

 

Anders als typische Ameisen, die Späher aussenden, jagen Wanderameisen von Anfang an in riesigen Gruppen. Diese „Heerzüge“ können Hunderttausende Individuen umfassen und überwältigen auch große oder wehrhafte Beute. (Hört sich an wie ein menschlicher Heereszug im 30jährigem Krieg!) 

 

Mobiles Nest (Biwak) 

Ihr Nest ist nicht dauerhaft, sondern wird regelmäßig verlegt. (Ähnlich wie bei menschlichen Nomaden.) Nach einem Beutezug zieht die Kolonie weiter, weil die Nahrungsquellen in der Umgebung schnell erschöpft sind. 

 

Lebende Gerüste 

Bei Hindernissen wie steilen Wänden oder Wurzeln bilden Wanderameisen lebende Brücken oder Gerüste. Einige Ameisen verharren und bieten ihren Körper als Stütze, damit andere darüber hinwegziehen können – ganz ohne direkte Kommunikation. Dass das Menschen mit etwas Übung auch vollbringen Können beweisen die Castells. Eine Tradition Menschentürme zu bilden, die aus dem 18ten Jahrhundert stammt. Ursprünglich nur in der Stadt Valls, nahe Barcelona betrieben gibt es heute über 100 Gruppen inner- und außerhalb Spaniens und sogar in Deutschland. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Castells) 

 

Verkehrsnetz 

Sie organisieren ein verzweigtes Straßennetz, über das Beute schnell zur Brut transportiert wird. Diese Wege sind hochgradig effizient und werden ständig angepasst. (Das erinnert mich nun wieder stark an die Strategie der alten Römer!) (https://www.campus.uni-konstanz.de/wissenschaft/was-uns-ameisen-ueber-systemstabilitaet-lehren - ich denke...langsam wird klar, worauf ich diesmal hinaus will...) 

 

Und nun, mein absoluter Liebling! Das intelligenteste Gruppenwesen der Erde ... und das ganz ohne Hirn: Der Physarum polycephalum 

 

(Leider als Haustier ungeeignet, obwohl er unglaublichen Fähigkeiten besitzt! Er ist ein echtes Naturgenie, das mit spielerischer Leichtigkeit komplexe Probleme lösen kann!) 

 

Was ist Physarum polycephalum wirklich? 

 

Physarum ist ein sogenannter plasmodialer Schleimpilz, und obwohl er oft als „eine Zelle“ bezeichnet wird, ist das nur die halbe Wahrheit. Genaugenommen ist er vielkerniger Zellverband (Plasmodium) Das Plasmodium ist eine einzige Zelle, aber mit vielen Zellkernen. 

 

Es handelt sich um eine syncytiale Struktur: 

 

Das bedeutet, die Zellkerne teilen sich, aber die Zelle selbst bleibt ungeteilt. Es gibt hier keine Zellmembranen zwischen den Kernen, also keine echten Zellgrenzen wie z. B. Bei Säugetieren. Alles ist in einem gemeinsamen Zytoplasma verbunden. 

 

Wie funktioniert das?

 

Die Bewegung und Informationsverarbeitung erfolgt über zytoplasmatische Strömungen, die rhythmisch pulsieren. (Hört sich schon fasst unanständig an, meint aber vereinfacht nur, dass chemische Botenstoffe weitergegeben werden, was zu einer Art "Feedback-Schleife" führt. Aber das interessiert wahrscheinlich nur echte Nerds wie mich?) 

 

Diese Strömungen transportieren Nährstoffe und „Informationen“ über das gesamte Plasmodium. So kann Physarum Entscheidungen treffen und sich koordinieren. Und das ganz ohne Nervensystem. 

 

Physarum ist eine Zelle mit vielen Kernen, also kein Zellverbund im klassischen Sinne wie bei mehrzelligen Organismen. Aber er ist auch viel mehr als eine „normale“ Zelle – eher ein lebendiger, intelligenter Teppich aus pulsierendem Leben. (Ist das nicht supercool?) 

 

Was kann dieses seltsame Gebilde? 

 

Komplexe Verkehrsnetze nachbilden: 

 

Forscher in Japan haben 2010 ein berühmtes Experiment durchgeführt: Sie legten Haferflocken so aus, dass sie die Bahnhöfe rund um Tokio repräsentierten. Der hungrige Schleimpilz wurde in die Mitte gesetzt. Innerhalb von 26 Stunden hatte er ein Netzwerk gebildet, das dem realen Schienennetz Tokios verblüffend ähnlich war. 

 

Der Schleimpilz verbindet Nahrungsquellen auf dem effizientesten Weg, um Energie zu sparen und Austrocknung zu vermeiden. Verbindungen, die sich als ineffizient erweisen, werden automatisch gekappt – ganz ohne Planung oder Bewusstsein. 

 

Er hat kein Hirn, aber investiert nicht aus Geltungsbedürfnis in Projekte die sich als aussichtslos oder "überteuert" herausstellen. Er hört einfach auf mit dem Blödsinn, wenn er merkt, dass die Kosten den Nutzen langfristig übersteigen! 

 

Bisherige Anwendung in der Forschung 

 

Das Verhalten des Schleimpilzes wurde in Computermodelle übertragen, die Stadtplanern helfen könnten, Verkehrsnetze zu optimieren. Es wird sogar als Modell in der Medizin genutzt, z. B. um zu verstehen, wie Tumore Blutgefäße beeinflussen. 

(Good Impact: Wie der Schleimpilz Verkehrsnetze optimiert, TierWelt: Schleimpilz und Verkehrsplanung, ERF Medien: Schleimpilz inspiriert Verkehrsoptimierung) 

 

Ihr seht jetzt wahrscheinlich warum mich dieses Plasmawesen, (hört sich einfach schöner an als Schleimpilz! Weniger "Igitt"), so beeindruckt. Physarum polycephalum ist wie ein Zen-Meister unter den Mikroorganismen. Langsam, geduldig, aber mit einer verblüffenden Weisheit, die selbst Supercomputer in Staunen versetzt. 

 

Stellt Euch vor: 

 

Kein Gehirn, aber kluge Entscheidungen: 

Er findet den kürzesten Weg durch ein Labyrinth, optimiert Netzwerke und „merkt“ sich Hindernisse. 

 

Biologisches Gedächtnis: 

Physarum kann sich an unangenehme Reize erinnern und sie künftig meiden – eine Form von Lernen! 

 

Selbstheilung: 

Wird er geteilt, kann er sich regenerieren und sogar „Erinnerungen“ weitergeben. 

 

Künstlerische Bewegung: 

Seine Ausbreitung sieht aus wie ein lebendiges Kunstwerk – organisch, fließend, fast meditativ. (Wer öfter mal einen meiner Blogs ließest, der weiß jetzt schon! Ich ziehe Schlüsse die vielleicht nicht jedem gefallen!) 

 

Die große Frage ist: was können wir aus derartigen Verhaltensweisen lernen? Wie können wir den Nutzen auch für Krisenzeiten umsetzen? Welche Philosophischen Erkenntnisse können wir daraus ziehen? 

 

(Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich hier bewusst aus Respekt vor konservativen oder religiös geprägten Lesern nicht die Unterschiede im Krisenverhalten von Bonobos und Schimpansen verglich!) 

 

Erkenntnisse, die ich bei der Recherche zu diesem Artikel für mich gewann:  

  1. Gesellschaften brauchen feste Regeln die allen Mitgliedern nützen und niemand ausschließen.
  2. Gesellschaften brauchen keine zentrale Herrscher, Führer, oder expliziten Eliten, wenn sie bereit sind, trotz Unterschieden gleichberechtigt zusammenzuarbeiten um Probleme zu lösen.
  3. Selbst bei "hirnlosen" Gemeinschaften wie z.B. Plasmawesen liegt die Stärke der Masse in der Vielfalt und Individualität der einzelnen Mitglieder. Je vielfältiger, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Krisenresistenz der gesamten Gruppe.  

Das heiß, eine Elite die bestimmt wie sich die Gemeinschaft zu konformieren hat, beeinträchtigt die Resilienz, die Lösungsfindung und die Flexibilität einer Masse. Zudem werden durch elitäre Strukturen und daraus resultierende Kriege und Armut maßlos Ressourcen an Intelligenz, Leben und Material verschwendet. 

 

Die Lehre der Natur die wir daraus ziehen können ist klar: 

 

Wahre Stärke liegt nicht in Dominanz oder der strikten Befolgung einer hierarchischen Struktur. Sie liegt in der Fähigkeit, sich den Bedürfnissen aller anzupassen, aus der Vielfalt zu lernen und gemeinsam den besten Weg zu finden. 

 

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns von unserer Selbstüberschätzung lösen und uns wieder auf das besinnen, was uns als Gruppe wirklich stark macht. Es braucht keine Alpha-Tiere, um eine Krise zu meistern. Es braucht nur ein gemeinsames Ziel. 

 

Aber das erfordert Mut! Umdenken und die Breitschaft, für Veränderungen Verantwortung zu übernehmen. Dies würde für die Menschheit einen Evolutionssprung bedeuten, der allen Individuen freie Entfaltung gemäß ihren Fähigkeiten und Neigungen garantieren würde und den Fortbestand der Menschheit unter Berücksichtigung der Natur, auch in Krisenzeiten, sichern würde. 

 

Aber können wir das? Sind wir mutig genug? Sind wir evolutionär schon bereit für eine Kultur wie Kapitän Picard sie in dem Enterprise Film "Der erste Kontakt" beschreibt? (Star Trek: Der erste Kontakt“ /First Contact, 1996). 

 

Captain Picards berühmtes Zitat zur Gesellschaft der Zukunft: 

 

„Die Wirtschaft der Zukunft ist nicht mehr auf Besitz gegründet. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern und die Menschheit als Ganzes." 

 

Auf die Frage, ob es in der Zukunft noch Geld, Besitz oder Machtstreben gibt, sagt Picard: 

 

„Darüber sind wir längst hinaus." 

 

Was bedeutet das?

 

Picard beschreibt eine postkapitalistische Gesellschaft, in der:  

  • Wissen, Fortschritt und Selbstverwirklichung im Mittelpunkt stehen.
  • Gier, Konkurrenz und materielle Besitzansprüche überwunden wurden.
  • Die Menschheit sich auf Forschung, Diplomatie und ethisches Handeln konzentriert.  

Muss das wirklich Fiktion bleiben, oder besteht für uns als Menschheit noch Hoffnung? 

 

Ich freue mich auf Eure Kommentare!

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