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Vom Lehrplan zur Lebenspraxis: Ein Aufruf für echte Zukunftskompetenz

Ich wuchs in einer bayrischen Kleinstadt nahe der Alpen auf. Zu einer Zeit als ein Telefon im eigenen Haus noch unnötiger Luxus war. Den Begriff "Extremwetter" gab es noch nicht. Aber es gab Nächte in denen es mehr als nur einen halben Meter schneite.

Der Regelmäßige Räumdienst schaffte es in die abgelegene Straße in der mein Elternhaus stand meist nicht. Für die paar Häuser lohnte es nicht.

 

Wir Kinder freuten uns über diese Tage. Denn dann durften wir länger liegen bleiben und meine Mutter machte sich auf den Weg um in der Schule Bescheid zu sagen, dass Ihre Kinder zuhause bleiben würden, bis die Straße soweit frei wäre, dass sie nicht mehr bis zum Hals darin versinken würden.

  

Wenn ich daran zurückdenke, muss ich lächeln. Aus heutiger Sicht hört sich das an als würde ich von eine anderen Welt berichten und offen gestanden, ich hatte es fasst vergessen 

 

Bis ich am 24.07.2025 über eine Zeitungsmeldung stieß, die es wie viele andere nicht in die Schlagzeilen geschafft hatte. 

 

"Malacanang (das ist der Präsidentenpalast der Philippinen in Manila - vergleichbar mit dem Weißen Haus in den USA oder dem Bundeskanzleramt in Deutschland.) hat den Schulunterricht und Regierungsarbeit in Metro Manila und Dutzenden von Provinzen aufgrund von starken Regenfällen durch den Südwest-Monsun ausgesetzt (ABS-CBN). 

 

Was interessiert das mich? 

 

Natürlich. Die Philippinen sind weit weg. Und der erste Impuls könnte nun sein, was interessiert mich ein Inselstaat in Asien? Doch diese Regenfälle sind das Symptom des Klimawandels und der Globalen Erwärmung. 

 

Der kleine Unterschied:

 

Ich konnte durch starken Schnee der noch nicht mal ungewöhnlich für unsere Region war, ab und zu nicht zur Schule gehen - aber hier wird durch Starkregen nicht nur der Schulbetrieb, sondern die Regierungsgeschäfte ausgebremst! 

 

Folgen einer Krise

 

Stellt Euch das vor! Das heißt nicht nur, dass das Postamt geschlossen hat. In einem Land in dem nicht jeder Telefon oder Mail hat geht gar nichts mehr! Kein Arzt ist mehr erreichbar, Lebensmittel können nicht gekauft werden und wie bei der Überschwemmung in der New Yorker U-Bahn vor einer Weile (Hochwasser in New York am 14.07.2025), hält auch das Abwassersystem, falls vorhanden, nicht stand.

 

Auch die Pandemie, die uns ereilte und Deutschland und die Welt nahezu in Agonie hielt, ist noch nicht wirklich lange her. Viele von uns haben darunter gelitten.

 

Es brachte einige Leute zum Umdenken.  

  • So manch einer besann sich darauf, dass man nicht jedes Nahrungsmittel fertig kaufen muss, sondern auch zu Hause kochen kann. Andere entdeckten den Nutzen und den Spaß von Obst- und Gemüseanbau im Garten.
  • Seit dieser Zeit tragen wieder mehr Frauen lange Haare, weil wir merkten, wenn’s sein muss, geht es auch ohne Frisör.
  • Die Bekleidungsindustrie hatte Einbußen. Wozu schön anziehen, wenn man eh niemand treffen darf?  

All das haben wir als Erwachsene irgendwie überstanden. Aber es gibt und gab und zu denken, nahm uns das Gefühl der beständigen Sicherheit und wirft Fragen auf. 

 

Sind wir wirklich ausreichend auf Katastrophen vorbereitet? 

 

Die Antwort hierauf ist ein klares "Bedingt". Tatsächlich ist es zum Teil eine Frage des Alters. 

 

Als Babyboomer waren wir noch von einer ganz anderen Lebenswirklichkeit geprägt. Der vergangene Krieg und der darauffolgende kalte Krieg steckten unserem Schulsystem noch tief in den Knochen. Das hatte teils seltsame Auswirkungen. 

 

Zivilschutz schon in der Grundschule 

 

Während des Kalten Krieges, besonders in den 1950er bis 1970er Jahren, waren Zivilschutzmaßnahmen und die Angst vor einem Atomkrieg ein präsenter Teil des öffentlichen Lebens. 

 

In deutschen Schulen wurden Kinder über das Verhalten im Falle eines Angriffs aufgeklärt. Die Anweisung, sich unter Tischen oder Bänken in Sicherheit zu bringen ("Duck and Cover"), war eine gängige Empfehlung in diesen Lehrfilmen und Übungen. Mit Schauer erinnere ich mich heute noch an Lehrfilme in schwarz-weis, in denen wir darin unterwiesen wurden. 

 

Diese Filme und Anweisungen waren Teil der damaligen Zivilverteidigungsstrategie und sollten die Bevölkerung auf den Ernstfall vorbereiten. Manche Empfehlungen sind scheinen aus heutiger Sicht kurios oder unzureichend. Manche jedoch werden wieder als deutliche Empfehlungen des Katastrophenschutzes ausgesprochen. 

 

Leider kann ich die deutsche Fassung nicht mehr finden, doch soweit ich mich erinnere, entsprach sie der noch vorhandenen unsynchronisierte Fassung:

 

https://m.youtube.com/watch?v=T3mxkQ8upFg&pp=0gcJCfwAo7VqN5tD 

 

Natürlich denkt heute niemand mehr daran Kinder auf diese Weise zu traumatisieren. 

 

Dennoch wage ich es nun auch das aktuelle Schulsystem zu kritisieren! Ich vertrete die Meinung, dass unser Schulsystem nicht auf das Leben, und schon gar nicht auf Katastrophen vorbereitet! 

 

Ich spreche jetzt nicht nur von alltäglichen Dingen wie das Ausfüllen von Formularen oder dem Umgang mit Geld und Wirtschaftssystemen, der an Schulen nicht gelehrt wird. Und das in dem Land das beim Pro-Kopf-Verbrauch von Papier, gefolgt von den USA und Japan, an der Spitze steht. 

 

Ich rede von grundlegenden Dingen. 

 

Ich spreche von kulturellen Errungenschaften die über Jahrhunderte wichtig waren, wie das Binden einer Schleife oder das Lesen einer analogen Uhr. Von einem Bekannten der beruflich Kinder betreut weiß ich, dass das in der vierten Klasse noch nicht vorausgesetzt werden kann. 

 

Aber dass es negative Folgen haben kann, wenn man als Drittklässler eine unbekannte, unreife Frucht die auf dem Boden liegt, einfach in den Mund schiebt, das sollte man vor dem Wechsel auf eine höhere Schule doch schon wissen? 

 

Was sich hier so lustig anhört, führte in einer Schule zur Überprüfung des Grünbestandes, weil das Kind nach solch Kost über Bauchschmerzen klagte. 

 

Ich erwarte nicht, dass ihr Eure Kinder und Enkel zu harten Preppern macht. Dennoch kann ich nicht umhin festzustellen: 

 

Unser Schulsystem ist in vielen Hinsichten nicht Kindgerecht. 

 

Trotz unseren technischen Entwicklungen und unseren kulturellen Errungenschaften auf die wir so stolz sind, haben wir auch was Verbesserungen des Schulsystems betrifft, noch Luft nach oben:  

  • Die Schule beginnt viel zu früh und ist nicht auf den Biorhythmus von Kindern und Jugendlichen angepasst.
  • Erstklässler tragen Schultaschen die schwerer sind als sie selbst. (Und wir wundern uns warum sie später Bandscheibenvorfälle und Rückenleiden haben, weil "Schulspinde" in Deutschland noch nicht angekommen sind)
  • Wir verweigern unseren Kindern stundenlang zu Trinken oder Toilettengänge. (Versuchen sie das mal in einem Lehrgang für Erwachsene. Beschwerden und gegebenenfalls Konsequenzen werden unausweichlich sein!)
  • Wir schränken den natürlichen Bewegungsdrang bei Strafe ein.  

(Zugegeben, wenn man das alles so liest, hört es sich ein bisschen wie ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg an ... aber es geht hier nur um Kinder!) 

 

Dabei wären die Lösungen so einfach! 

 

Ich stelle die provokante These in den Raum, dass Kinder mit so grundlegenden Mängeln an Überlebensstrategien im Katastrophenfall schwerlich gute Überlebensaussichten haben werden. 

 

Resilienz für die Zukunft: 

 

Es ist nicht nur die Klimakrise. Pandemien, Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen – die Welt wird komplexer.Unsere Kinder brauchen ein Rüstzeug, um darin bestehen zu können, nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern für das Leben selbst. 

 

Nötig wären meines Erachtens 

 

1. Überlebensfähigkeiten & Outdoor: 

 

Wassersuche und -aufbereitung: 

Wie man Wasser findet (Regen sammeln, Kondensation), filtert und abkocht, um es trinkbar zu machen.  

 

Feuer machen: 

Ohne Streichhölzer/Feuerzeug (Feuerstein, Lupe, Reibung. Dass Wissen darüber welches Holz geeignet ist und wie man es stapeln und schichten muss, damit es überhaupt brennt). 

 

Notsignale geben: 

Aufbau eines Signalfeuers, Nutzung von Spiegeln. 

 

Orientierung: 

Ohne GPS/Strom (Kompass nutzen, Sonnenstand, Sterne). 

 

Notunterkunft bauen: 

Grundlagen eines wetterfesten Unterschlupfs. 

 

Nutzpflanzen & giftige Pflanzen erkennen: 

Was ist essbar, was nicht? (Grundlagen, keine Tiefenkenntnis) 

 

Jagd/Fallenbau (rudimentär): 

Grundlagen der Nahrungssuche in der Wildnis. 

 

2. Gesundheit & Hygiene: 

 

Erweiterte Wundversorgung: 

Nicht nur rudimentäre Behandlung von Oberflächenwunden, sondern auch Erkennen von Infektionen, das Anlegen von Druckverbände bei Blutungen und stabile Seitenlage. 

 

Erkennung von Krankheiten/Symptomen: 

Fieber, Dehydration, Hitzschlag, Erschöpfung, einfache Erkältung vs. ernsteres Problem. 

 

Hygiene ohne fließendes Wasser: 

Toilettenbau, Müllentsorgung, Körperpflege unter schwierigen Bedingungen. 

 

Herstellung einfacher Heilmittel: 

Kräuter für Tee bei Erkältung, Umschläge etc. (Basiswissen). 

 

Psychologische Erste Hilfe: 

Umgang mit Angst, Panik, Trauma in Notlagen (für sich selbst und andere). Auch einfache Achtsamkeitsübungen. Stressbewältigung wären nicht nur in solchen Situationen sinnvoll! 

 

3. Kommunikation & Information: 

 

Alternative Kommunikationswege: 

Funk (CB-Funk, Amateurfunk-Grundlagen), Morsen (zumindest Erkennen), Nachrichtenübermittlung ohne Strom/Handy. 

 

Informationsbeschaffung: 

Grundlagen der Wetterkunde, Erkennen von Gefahrenzeichen in der Natur, Nachrichten über analoge Medien empfangen (Batterieradio, Sirenentöne richtig interpretieren.) 

 

Netzwerken: 

Bedeutung von Gemeinschaft, Nachbarschaftshilfe organisieren. 

 

4. Energie & Technik (Low-Tech):

  

Hier könnte man auch das Verständnis für einfache mechanische Prinzipien oder grundlegende Reparaturen hinzufügen.  

  • Wie funktioniert ein Fahrrad ohne Elektronik? 
  • Wie kann man einen einfachen Stromkreis bauen?  

Das fördert nicht nur die Problemlösungskompetenz, sondern auch das Verständnis für die Welt um uns herum. 

 

5. Soziale & Psychologische Resilienz: 

 

Konfliktlösung in der Gruppe: 

Gerade in Notsituationen wichtig. 

 

Führung & Organisation: 

Wie man kleinere Gruppen organisiert oder sich einfügt. 

 

Ressourcenmanagement: 

Mit Wenigem auskommen und es effizient einsetzen. 

 

Entscheidungsfindung unter Druck: 

Grundlagen von Krisenmanagement. 

 

All das sind keine unlösbaren Probleme! 

 

Lehrer als Lernbegleiter:

 

Es geht nicht darum, dass Lehrer alles wissen, sondern dass sie den Rahmen schaffen, in dem Schüler selbst Erfahrungen sammeln und sich diese lebenswichtigen Fähigkeiten aneignen können. 

 

Ich bin mir sicher, dass sich dies mit externen Experten (THW, Rotes Kreuz, Pfadfinder oder ehrenamtlichen Senioren bewerkstelligen liese.

 

(Manche fortschrittlichere Schulen bieten bereits Schulgärten an. Urban Gardening im überschaubaren Bereich.) 

 

Weitere Ideen und Möglichkeiten: 

 

Ausflüge und Schullandheim 

Keine luxuriösen Urlaubsfahrten nach Paris, sondern für ein paar Tage klug organisierte Abenteuerurlaube im Schullandheim? 

 

Klassenwettbewerbe und Schulereignistage, 

an denen die Kinder ihre Forschungsprojekte vorstellen dürfen. 

 

Tutorenposition 

Vielleicht könnten sogar Tutorenpositionen positiv im Zeugnis Erwähnung finden und bei der späteren Berufswahl helfen? 

 

"Digital Detox" und Naturerfahrung: 

Neben den Überlebensfähigkeiten könnte man gezielte "Digital Detox"-Tage oder -Wochen in der Schule einführen, um die Kinder bewusst von Bildschirmen wegzuholen und sie zu ermutigen, die Natur zu erkunden und praktische Fähigkeiten zu erlernen. Das könnte auch die Kreativität und Problemlösungskompetenz fördern. 

 

"Lebenspraktische Werkstätten": 

Ähnlich wie die Schulgärten könnte man kleine Werkstätten einrichten, in denen Kinder unter Anleitung einfache Reparaturen an Haushaltsgeräten, Fahrrädern oder Kleidung lernen. Das fördert nicht nur die Selbstständigkeit, sondern auch ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. 

 

"Finanzkompetenz für Kinder": 

Ich habe es kurz angesprochen – der Umgang mit Geld. Das könnte spielerisch in Form von Projekten vermittelt werden, z.B. ein Klassenkiosk, bei dem die Kinder Einnahmen und Ausgaben verwalten, oder Projekte zur Budgetplanung für einen Ausflug. 

 

"Erste-Hilfe-Kurse für alle": 

Nicht nur im Rahmen der erweiterten Wundversorgung, sondern als regelmäßiger, verpflichtender Bestandteil des Lehrplans. Das sollte so selbstverständlich sein wie Schwimmunterricht. 

 

"Medienkompetenz im Krisenfall": 

Wie erkenne ich Falschinformationen in einer Krise? Wie gehe ich mit Panikmache um? Das ist angesichts der Informationsflut und der sozialen Medien eine essenzielle Fähigkeit. 

 

Natürlich sind dies nur einige Beispiele. 

 

Nicht alles lässt sich von heute auf morgen umsetzen, und so einiges wird bei traditional eingestellten Pädagogen erst einmal auf Unverständnis und Ablehnung stoßen! Aber je mehr kluge Köpfe sich darüber Gedanken machen, umso mehr Lösungen würden sich von selbst erheben. Ich für meinen Teil denke, das sollte uns unser Nachwuchs wert sein! 

 

Was denkst Du? Vielleicht magst auch Du ein paar Ideen in einem Kommentar für mich dalassen? 

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